Was ist eine Dyskalkulie?

“Wie können selbst simple Rechnungen so schwierig sein?” Stellen Sie es sich so vor: Beim Rechnen fühlt es sich an, wie wenn ein Teil Ihres Gehirns ausgeschaltet ist. “Zahlen im Raum anordnen?” Da haben Sie nur eine vage Vorstellung, wie sich Zahlen und Raum aufeinander beziehen. Das Kopfrechnen wird dadurch viel schwieriger und Sie rechnen langsamer. Dies ist ein Beispiel dafür, wie sich eine Dyskalkulie anfühlen kann.

Rechnen als kognitive Leistung

Das Erlernen von Rechnen benötigt kognitive Fähigkeiten wie die Aufmerksamkeit, die Sprache, das bildliche Vorstellungsvermögen, das visuelles Erkennen oder die sensomotorische Integration (Verarbeitung von Sinnen). Diese Fähigkeiten werden in unterschiedlichen Hirnregionen verarbeitet. Das Rechnen-Lernen führt zur Bildung der entsprechenden neuronalen Strukturen im Gehirn. Diese Strukturen sind durch positive wie auch negative (Lern-)Erfahrungen geprägt. 

Entwicklung mathematischer Basiskompetenzen

Nach dem etablierten Triple-Code Modell (Dehaene, 1992) verfügen wir über drei neuronale Netzwerke, welche für das Rechnen von Bedeutung sind und über die Primarschulzeit hinweg erworben werden. Bei einer Rechenstörung können sich Schwierigkeiten in einzelnen oder auch mehreren dieser Bereichen zeigen: 

  • Auditiv-Sprachlich
    Gesprochene und geschriebene Sprachprozesse, Transformation von gelesenen zu gehörten Zahlwörtern und umgekehrt (“vierzehn” → 14), Automatisierung von Zahlwortreihen
    Beispiel: Faktenwissen wie das Einmaleins: sieben mal acht gleich sechsundfünfzig
  • Visuell-Geschrieben
    Lesen, Schreiben und Einordnen von Ziffern (geschriebene Zahlen)
    Beispiel: entscheiden, ob eine Zahl gerade oder ungerade ist: 128 ist gerade
  • Zahlenraum Vorstellungen
    Zahlenraumvorstellungen sowie Erfassen von Mengen und Schätzungen von Grössen
    Beispiel: Vergleiche und Überschlagsrechnungen (10 x 14 =  ?, Lösung liegt zwischen 100 und 200)

Befindlichkeit und Emotionen beim Rechnen

Neben den kognitiven Fähigkeiten spielen die Lernumgebung und die Befindlichkeit der Person beim Rechnen-Lernen eine wichtige Rolle. Die erlebten Emotionen sind also ein wesentlicher Einflussfaktor. Negative Erfahrungen verschlechtern den zukünftigen Rechenerwerb und können eine Rechenstörung verursachen oder fördern. Misserfolgserlebnisse durch schlechte Schulnoten verstärken die negativen Emotionen beim Rechnen. 

Typisch Dyskalkulie

Eine Dyskalkulie oder Rechenstörung zeichnet sich dadurch aus, dass das Leistungsniveau im Rechnen im Vergleich zu den sonstigen Fähigkeiten der betroffenen Person deutlich geringer ist. Klassische Verhaltensmuster und Auffälligkeiten beim Vorhandensein einer Dyskalkulie/Rechenstörung sind:

  • Leistungen im Rechnen / in der Mathematik liegen deutlich unter dem Niveau anderer Fächer
  • Probleme mit Rechnen bestehen seit oder vor Beginn des Mathematik-Unterrichts in der Primarschule
  • Defizite vorwiegend in den Grundrechenarten der Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division
  • Schwierigkeiten beim Bilden von Zahlenmengen, Mengen-Zerlegen, Zählen/Abzählen und bei der Mengen-Zahl-Zuordnung
  • Intelligenzleistung im Normbereich

Folgen, Diagnostik & Therapie

Möglich Folgen einer unbehandelten Dyskalkulie

Rechenstörungen oder Hinweise darauf sollten besser nicht ignoriert werden. Die Folgen einer Nichtförderung sind vielfältig und können weitreichende negative Einflüsse auf das spätere Leben haben.

Entwicklung einer Mathematik-Angst
Trotz hohem Aufwand beim Lernen für Mathematik kommt es häufig zu Misserfolgen. Die Leistungsziele in der Mathematik werden nur knapp oder nicht erreicht. Die Bewertung durch Schulnoten verstärken diesen Prozess und führen zu Stress, Angst und Vermeidungsverhalten.

Reduzierung des Selbstvertrauens
Das Selbstvertrauen im Rechnen oder der Mathematik wird immer kleiner. Die Selbstzweifel können sich auch auf andere Bereiche ausweiten. Die Person denkt, sie sei allgemein dumm und beginnt, einen tiefen Selbstwert auch in anderen Bereichen zu entwickeln. Zum Leidwesen der betroffenen Person zweifelt oft auch das soziale Umfeld fälschlicherweise an ihrer allgemeinen kognitiven Fähigkeit.

Probleme während der Schullaufbahn
Das Vermeidungsverhalten im Fach Mathematik steigt und die Schulleistung sinkt über die Schulzeit hinweg. Dies führt möglicherweise zur allgemeinen Abwendung von naturwissenschaftlichen Fächern. In Folge kann das allgemeine Leistungs- und Ausbildungspotential der Person nicht vollständig genutzt werden.

Wie wird eine Dyskalkulie diagnostiziert?

Bei Verdacht auf eine Dyskalkulie/Rechenstörung ist es ratsam, diese psychodiagnostisch abzuklären. Eine Abklärung beinhaltet ein Erstgespräch, 2-3 testpsychologische Untersuchungstermine, ein Rückmeldegespräch sowie einen schriftlichen Bericht. Während des Erstgesprächs haben Sie als Klient die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Die Anamnese wird erhoben und Ziel und Zweck der Abklärung werden ergründet. Die daraufhin durchgeführten neuropsychologischen Tests beinhalten die Messung der allgemeinen kognitiven Fähigkeiten und der rechnerischen Fähigkeiten. Das Rückmeldegespräch umfasst eine kompetente Vermittlung der Ergebnisse sowie eine Beratung inkl. Massnahmen-Empfehlungen. Weiterführende Informationen finden Sie auf der Seite Dyskalkulie-Abklärung.

Förderung, Therapie & Training

Durch Training im Rahmen eines Lerncoachings oder einer Psychotherapie können die Nachteile im Rechnen verringert  werden. Auch bei Schwierigkeiten in der Mathematik ohne Vorhandensein einer Rechenstörung sind diese Massnahmen hilfreich und empfehlenswert. In der Lernpraxis passen wir das Förderprogramm individuell auf unsere Klienten an und wenden  verschiedene Methoden und Trainingstools an:

  • kognitives Training: Aufmerksamkeit, Arbeitsgedächtnis, logisches Schlussfolgern, etc.
  • Grundkompetenzen Auditiv-Sprachlich
  • Grundkompetenzen Visuell-Geschrieben
  • Grundkompetenzen Zahlenraum-Vorstellungen
  • Aufrechterhaltung von und Umgang mit Motivation
  • Stärkung des Selbstvertrauens beim Rechnen / Mathematik
  • traumatische Erlebnisse mit Mathematik verarbeiten
  • Stärkung der eigenen Fähigkeiten und Ressourcen
  • Integration neu erlernter Fähigkeiten in Schule und Alltag

Durch das Training und die daraus resultierenden Erfolgserlebnisse wird Rechnen/Mathematik immer stärker mit positiven Assoziationen verbunden. Langfristig führt die gezielte Förderung dadurch zu besseren Leistungen und zu selbstsicherem und freudigem Lösen von Rechenaufgaben.

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